Eine Warnowidylle - Ein Interview

Christian Blauel
Christian Blauel

Interview mit Christian Blauel in seinem wunderschönen Garten an einem Warnowarm

Im Jahre 1996 zog es Sie in unsere Hansestadt. Was war der Grund dafür?

Meine Heimatstadt ist Freiburg im Breisgau. Nach dem Architekturstudium verbrachte ich ein Jahr in Australien. Dann bekam ich ein spannendes Stellenangebot in Rostock. Es war ein regnerischer ungemütlicher Januartag, als ich am Bahnhof ankam. Als erstes wollte ich das Wasser sehen. Geradezu erschrocken war ich, wie lieblos das Gebiet an der Wasserkante aussah, als wenn es keinen interessieren würde. Ich hatte den Eindruck: Das ist eine Hafenstadt, die ihren Hafen verloren hat. Mich reizte die Aufgabe, in einer sich entwickelnden Metropole Neues zu schaffen und mit dem Alten zu verbinden. Die Städte in den alten Bundesländern sind fertig; will man etwas bauen, muss man etwas anderes kaputt machen. Außerdem wusste ich von Anfang an den Freizeitwert zu schätzen, die Nähe zum Strand genauso wie die vielen urigen Kneipen. Nach der Arbeit fuhr ich oft mit dem Fahrrad durch die Rostocker Heide an den Strand nach Markgrafenheide oder saß in der Biker-Kneipe am Kabutzenhof, um den Sonnenuntergang anzuschauen.

Sie haben 2006 ihr Traumhaus direkt am Ufer der Warnow, im Fischerbruch, gebaut. Wie haben Sie dieses Paradies gefunden?

Als ich Ende der Neunziger die Wildnis am Wasser entdeckte, sagte mir mein Architektenblick:
Hier könnten gut zwei Häuser mit anschließendem Garten zum Ufer stehen. Dabei dachte ich gar nicht an mich. Ein Antrag zum Kauf der Fläche an das Bundesvermögensamt wurde nicht beantwortet.
Erst 2003 wurde ich aufgefordert, ein Angebot zu machen. Da war es die logische Konsequenz, selbst ein Eigenheim zu bauen. Schnell fand sich ein zweiter Häuslebauer. Unser Nachbar wollte seinen Garten vergrößern. Zu dritt kauften wir das verwahrloste Gebiet. Nun galt es, meine Partnerin von meinem Traum zu überzeugen. Ihr gefiel es ausnehmend gut in unserer Altbau-Mietwohnung in einer Jugendstil-Villa in Bad Doberan. Dem Zauber des Grundstücks direkt am Wasser konnte sie sich dann doch nicht entziehen. Außerdem ist es etwas ganz Besonderes, ein Haus selbst zu konzipieren, zu bauen und darin zu wohnen. Es ist ein besonderes Haus, da es als Passivhaus gebaut ist und somit ohne Heizung auskommt. Wir leben sehr gern hier, fühlen uns wohl in unserem Umfeld.

Nun leben hier ja Leute aus unterschiedlichen sozialen Schichten und aller Altersklassen. Verträgt sich das?

Ich finde das spannend, diese Verschiedenheit. Das Verhältnis ist sehr gut – einmal jährlich gibt es im Fischerbruch beispielsweise ein Strassenfest. Die Solidarität lässt uns zusammenhalten. Wenn das Hochwasser kommt, sind wir aufeinander angewiesen. Wir haben in weiser Voraussicht unser Haus so gestaltet, dass im Erdgeschoss keine Wohnräume sind und das Wasser rein und wieder raus läuft.
Nebenan haben wir eine weiße Wanne gebaut, d.h. das Wasser kann nicht in die Räume eindringen. Bei den anderen Anwohnern in den Altbauten muss im Ernstfall alles nach oben geschleppt werden. Da ist jede Hand gefragt. Etwa 30% der Menschen wohnen schon lange hier. Die Leute, die in den letzten Jahren zugezogen sind, haben Kinder aller Alterstufen mitgebracht oder bekommen. Alt und Jung haben ein gutes Miteinander. Von der guten Frau Buuck lassen sich die Jungen und Mädchen erzählen, wie es früher hier ausgesehen hat.

Im Jahre 2008 wurde die Interessengemeinschaft „Leben an der Warnow“ gegründet. Was hat es damit auf sich?

Wir sind eine lose Verbindung von engagierten Bürgern, die Interesse an der Entwicklung des neuen Wohngebietes „Östlich der Stadtmauer“ haben. Wir setzen uns ein für ein lebendiges, vielfältiges neues Quartier mit hoher Wohnqualität. Wir wollen eine Mischung von Nutzungen, von Wohnen und Arbeiten, Kultur und Erholung am Wasser. Wir glauben, dass dies nur durch intensive Kommunikation zwischen allen Beteiligten – Neubewohnern und Alteingesessenen, Ämtern und Bürgern – erreichbar ist. Wir haben daher auch einen Blog (www.leben-an-der-warnow.de) ins Netz gestellt, über den alle Interessierten sich über die Entwicklungen informieren können. In diesem Quartier hat Rostock die letzte Chance, die Innenstadt bis ans Wasser zu bringen. Charakteristisch für moderne Innenstädte ist auch die Gleichberechtigung von Fußgängern und Radfahrern mit dem motorisierten Verkehr und dem ÖPNV. In den Skandinavischen Ländern und Holland funktioniert das gut. Wir wenden uns daher dagegen, dass die „Neue Warnowstraße“ als Durchgangsstraße gebaut wird. Auch im Bürgerschaftsbeschluss war lediglich eine notwendige Erschließungsstraße vorgesehen – gebaut werden soll nun eine Durchgangsstrasse, die das neue Quartier von der östlichen Altstadt abschneidet.
Diese ist nicht notwendig, da es mit dem Verbindungsweg eine leistungsfähige Stadtumfahrung gibt. Abgesehen von dem Lärm und Dreck, der mit einer Durchgangsstraße unvermeidlich ist, verlieren alle angrenzenden Grundstücke und Häuser an Wert – der größte Grundstückseigentümer ist die Hansestadt Rostock. Wir haben auch Angst um unsere Kinder, wenn sie dann eine von schnellen Autos befahrene Tangente überqueren müssen, um zur Schule, zum Kindergarten oder zum Spielplatz am Gerber zu kommen – eine Fußgängerampel ist nicht vorgesehen. Bereits jetzt wohnen hier unten mehr als 20 Kinder – bei 700 geplanten neuen Wohneinheiten werden noch viele hinzu kommen. Die Strasse würde das neue Wohnquartier zerstören noch bevor es begonnen wurde.
Wir hoffen sehr, dass die Verantwortlichen bei Sanierungsträger und Stadt wieder das Gespräch mit uns suchen und diesen Fehler noch rechtzeitig korrigieren!

Interview: Gabi Pertus, abgedruckt in der OSTPOST Nr.19

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