Karl Planeth (1904-1993) - Ein ungewöhnlicher Mensch
Am 5.November 2010 war es endlich soweit. Der Weg an der Stadtmauer erhielt mit "Karl-Planeth-Weg" seinen Namen. Zeitgleich wurden unterhalb des Slüterdenkmals und oberhalb des Gerberbruchs zwei Gedenktafeln enthüllt. Auf diesen steht, wer Karl Planeth war und warum der Weg nach ihm benannt wurde.
Wir als Altstadtverein haben gemeinsam mit den Angehörigen lange für die Benennung gekämpft und haben Karl Planeth in einem früheren Artikel bereits vorgestellt (hier lesen).
Nachfolgend nun ein aktuelles Interview mit der Tochter Dr. Traute Dahl, die uns damit Ihren Vater noch ein Stück näher bringt.
Wer war Karl Planeth, dessen Namen wir künftig auf einem Straßenschild an der Stadtmauer hinter der Petrikirche lesen können? Wer könnte uns wohl besser darüber Auskunft geben, als seine Tochter Dr. Traute Dahl?
OSTPOST: Frau Dr. Dahl, wir wissen, dass Ihr Vater sich sehr um die Östliche Altstadt verdient gemacht hat. Nach dem Krieg räumte er auf dem Gebiet nördlich und östlich der Petrikirche den Schutt weg, säte Rasen, pflanzte Bäume und Sträucher, legte eine Rodelbahn und einen Kinderspielplatz an und sorgte dafür, dass besonders die alten Leute sich auf den von ihm organisierten Bänken ausruhen konnten.
Wie kam es dazu, dass Ihr Vater sich in so hohem Maße und so uneigennützig für das Wohl seiner Mitmenschen einsetzte?
Frau Dr. Dahl: Unser Vater war ein sehr geradliniger Mensch, der schon immer geholfen hat, wo er nur konnte. Das hat er schon von seinen Eltern vermittelt bekommen. Sein Vater, also unser Großvater hat schon vor dem ersten Weltkrieg in Warin für elektrische Straßenbeleuchtung und Spültoiletten in der Schule gesorgt und dieses Bedürfnis, etwas für die Allgemeinheit zu tun, hat unser Vater fortgesetzt.
OSTPOST: Ihr Vater hat ja in Warin, wo Ihr Großvater als Frisör bzw., wie es früher hieß, als Bader gearbeitet hat, die Volksschule besucht. Welchen Weg hat er danach eingeschlagen?
Frau Dr. Dahl: Als Bader hat mein Großvater ja auch Zähne gezogen und während des 1. Weltkrieges ist er nach Rostock an die Zahnklinik beordert worden, wo er auch lernte, Gebisse anzufertigen. Mein Vater ist öfter mitgegangen und hat festgestellt, dass ihm diese Arbeit auch Spaß machen würde. Mit 14 Jahren begann er dann in der Schröderstraße in Rostock eine Ausbildung zum Zahntechniker. Sein Bruder besuchte später übrigens eine Dentistenschule und wurde Zahnarzt.
OSTPOST: In seiner Freizeit war Ihr Vater aber auch während dieser Zeit immer allgemeinnützig tätig?
Frau Dr. Dahl: Ja, er liebte es, in der freien Natur zu sein und als Mitglied der Sozialistischen Arbeiterjugend organisierte er zum Beispiel Anfang der 20er Jahre Wanderungen in die Rostocker Heide. Hier lernte er übrigens auch meine Mutter kennen. Bei einer dieser Wanderungen entdeckten sie in der Nähe von Graal-Müritz ein leer stehendes Forstarbeiterhaus. Mit Hilfe des Försters Hohenstein konnte dieses Haus von der Stadt Rostock gemietet und durch die jungen Leuten nach der Arbeit am Wochenende instand gesetzt werden. Allerdings mussten sie sich das Haus mit der Christlichen Jugend teilen, was auch keinerlei Probleme verursachte.
OSTPOST: Welche Rolle spielte dieses Haus dann in den darauf folgenden Jahren für Ihren Vater?
Frau Dr. Dahl: Die jungen Leute bauten das Waldhaus immer weiter aus und richteten hier ein Ferienlager für Arbeiterkinder ein. Da mein Vater jemand war, auf den man hörte, weil das, was er sagte Hand und Fuß hatte, wurde er zum Heimwart gewählt, ehrenamtlich wohl gemerkt. Hier wurden auch Feste gefeiert, an denen auch Jugendliche aus Lübeck und sogar aus Dänemark teilnahmen. Mein Vater hat aber auch immer darauf geachtet, dass Regeln eingehalten wurden. Das bedeutete zum Beispiel, dass nicht geraucht werden durfte und Alkohol war natürlich auch tabu. Ordnung war also schon damals für ihn sehr wichtig. Das alles führte natürlich dazu, dass mein Vater sich mit dem Waldhaus sehr verbunden fühlte. Auch war die Arbeit in der Natur ein Ausgleich zu seiner vorwiegend sitzenden Tätigkeit als Zahntechniker.
OSTPOST: Als dann 1933 die Nazis kamen, war es aber dann vorbei mit der Ordnung …
Frau Dr. Dahl: Die Nazis haben das Haus dann von der Stadt Rostock ohne Pacht übertragen bekommen. Mein Vater musste übrigens genau an seinem Geburtstag den Schlüssel übergeben. Das Waldhaus und seine schöne Umgebung wurden dann für Kriegsspiele missbraucht und innerhalb kürzester Zeit war all das, was in zehn Jahren mühselig und mit so vie Liebe aufgebaut worden war zerstört, so dass es später abgerissen werden musste. Es ist natürlich verständlich, dass meinem Vater das damals sehr zu schaffen gemacht hat, denn er hatte seine ganze Hingabe in dieses Haus gesteckt. Wir sind auch später mit unserem Vater noch viel in der Heide gewandert. Zu DDR-Zeiten war das ganze Gebiet dann allerdings durch die Armee gesperrt worden.
OSTPOST: … und trotzdem hat Ihr Vater nach dem 2. Weltkrieg, die Familie wohnte damals am Strande, wieder angefangen, sich für das Allgemeinwohl zu engagieren. Er begann in einem Teil der Östlichen Altstadt die verheerenden Folgen des Krieges zu beseitigen und für die Bewohner wieder menschenwürdige Lebensbedingungen zu schaffen. Was hat ihn dazu bewegt, all das freiwillig und in seiner Freizeit auf sich zu nehmen?
Frau Dr. Dahl: Mein Vater konnte das Chaos, das der Krieg überall in der Altstadt hinterlassen hatte einfach nicht mit ansehen. Ganz allein machte er sich mit Schaufel und Schubkarre daran, den Schutt zu beseitigen. Auch die Schießscharten in der Stadtmauer hatte er schon wieder freigelegt und er war ganz glücklich, als es dann hieß, dass das Petritor wieder aufgebaut werden sollte. Umso schlimmer hat es ihn dann getroffen, als wir von einem Ausflug nach Graal-Müritz zurück kamen und das Petritor (Bildergalerie) plötzlich abgerissen war. Aber unser Vater hat sich auch dadurch nicht entmutigen lassen. Unermüdlich hat er an der Verschönerung und Pflege des Gebietes an der Petrikirche gearbeitet. Besonders der Bereich außerhalb der Stadtmauer lag ihm am Herzen, so machte er den jetzt nach ihm benannten Weg erst wieder begehbar.
Staatliche Auszeichnungen hat er übrigens immer abgelehnt. Über einen Blumenstrauß als Dank freute er sich.
OSTPOST: Frau Dr. Dahl, ich danke Ihnen sehr für das aufschlussreiche Gespräch, die feierliche Namensgebung am 5. November um 15.00Uhr am Slüter-Denkmal an der Petrikirche mit seinen vielen Besuchern zeigte, das Karl Planeth nicht in Vergessenheit geraten ist und wir vom Verein zu Förderung der Östlichen Altstadt freuen uns, das wir mithelfen konnten, das auch zukünftig an ihn gedacht wird.
Das Gespräch führte Astrid Stelter, Vorstandsmitglied im Verein zur Förderung der Östlichen Altstadt e.V.
Bildergalerie: Enthüllung der Gedenktafel
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